von Tilman Aumüller und Ruth Schmidt
erschienen in: 2013, TheWis, Online-Zeitschrift der Gesellschaft für Theaterwissenschaft
Man muss wohl davon ausgehen, dass die, die den Spruch Bild dir deine Meinung! erfunden und ausgewählt haben, um die Ironie des Satzes wissen. Und er verfehlt seine Wirkung nicht. Er beweist Selbstironie und in seiner Ironie Reflektiertheit und Witz. Die erste Reaktion ist Erleichterung: endlich ist die Bild-Zeitung mal ehrlich, endlich ist sie selber ehrlich mit dem, was sie tut. Paradoxerweise ist sie es gerade dort, wo sie neue Leser zu überzeugen sucht, in der Werbung, wo sie sich diese Selbstentlarvung offensichtlich leisten kann. Das erscheint zuerst absurd, erklärt sich vielleicht aber daraus, dass sie auf diese Weise ziemlich präzise mit dem wirbt, was alle von ihr erwarten und weshalb sie gekauft wird,: mit Aberglauben. Octave Mannoni (in Pfaller 2002, 47ff.) unterschied zwischen einem Glauben, zu dem man sich bekennt, und einem Aberglauben, von dem man sich selbst distanziert und den man anderen zuschreibt, der aber nicht weniger wirksam ist. Die Bild-Zeitung erzählt Halbwahrheiten, jeder weiß davon, keiner glaubt diese, aber genau deshalb wird sie gekauft; genau so manipuliert sie.