Konzeptuelle Videoinstallation von Tilman Aumüller, Arne Salasse, Ruth Schmidt
Konzept, Drehbuch: Tilman Aumüller, Arne Salasse, Ruth Schmidt
Regie: Ajith Hande
Produktion: Goblin Productions Bangalore
Premiere: Das Festival der jungen Talente! Frankfurt, 2012
Wilhelm‑Hack‑Museum Ludwigshafen, Galerie Julia Garnertz Köln
Pocketful of Talents ist eine nach Indien outgesourcte Soap über das Leben junger Künstler/innen vom Festival der Jungen Talente! in Frankfurt am Main. Im Altgriechischen bezeichnete das Wort „Talent“ eine Währungseinheit (ein Talent Gold), ist also ursprünglich mit der Finanzwirtschaft verbunden. „Pocketful of Talents“ sucht nach der Verstrickung von Talent, Macht und Spekulation, die die Etymologie des Wortes „Talent“ nahelegt.
In unmittelbarer Auseinandersetzung mit dem Festival der jungen Talente! als Schaufenster unterschiedlicher Kunst- und Performancehochschulen im Raum Frankfurt entstand das Drehbuch für eine Episode einer Soap-Opera: Eine Folge lang Alltag sogenannter junger, talentierter Künstler_innen in Frankfurt...
Die Umsetzung des Drehbuchs wurde an ein Produktionsteam in Indien abgegeben. Die so entstandene Kooperation mit der Produktionsfirma Goblin Productions aus Bangalore in Südindien ermöglicht es, die Konventionen und Effekte des Soap-Betriebs für die eigenen Überlegungen fruchtbar zu machen und sich in diesem filmischen Selbstporträt von jungen Künstler_innen aus dem Populärkunstkontext repräsentieren zu lassen.
Als junge Künstler_in ist man immer wieder mit der Bezeichnung Talent konfrontiert. Als Talent bezeichnet, geht es weniger um das, was wir produzieren, als um uns selbst. Der Blick verschiebt sich auf den Künstler hin, auf das, was an Potential in ihm steckt und das, was aus ihm werden könnte. Es geht um Versprechen und Spekulation. Erstaunlicherweise deckt sich das mit der ursprünglichen Bedeutung des Wortes “Talent”. Im Bibelgleichnis von den anvertrauten Talenten, durch das der Begriff in unsere Sprache gelangte, war ein Talent noch eine Währungseinheit, ein Kapital, das man investieren sollte.
Diesen voyeuristischen Blick auf Figuren der jungen Künstler bedient Pocketful of Talents scheinbar: Der Film stellt die Behauptung auf, Einblick in den Alltag und das Leben junger KünstlerInnen zu geben, die am Festival der Jungen Talente - für das dieser Film produziert wurde - teilnehmen. Dabei werden die traditionelle Erzählform und typische Soap-Thematiken, wie Gruppenkonflikte, Neid und soziale Beziehungen verwendet, ein Künstlerleben zu schildern, das unter dem Imperativ von Freiheit und Selbstbestimmtheit längst zum Paradigma einer postmodernen Leistungsgesellschaft geworden ist, in dem private Beziehungen immer schon Arbeitsbeziehungen und Arbeit und Leben nicht getrennt sind.
In Frankfurt schrieben Scriptedreality ein solches Drehbuch, das dann mit der einzige Bedingung, es in Form einer Soap zu realisieren, an Ajith Hande und seine Produktionsfirma goblin productions in Bangalore/Indien übertragen wurde, der als Filme-macher Soaps für das Kaanada-sprachige Fernsehen dreht. Diese Spaltung der Autorschaft und mit ihm auch die Strategie des Abgebens der Arbeit haben sich auf verschiedene Weise in den Film eingeschrieben:
Die Hauptfiguren tragen die Namen der Teilnehmer des Festivals und ihre Probleme sind erkennbar nicht die der Schauspieler. Methoden der Aneignung des Textes sind ebenso zu erkennen, wie auch Versuche der Distanzierung. Wer parodiert hier eigentlich wen? Trotzdem stellt man sich zum Schluss immer die Frage: ist das ein abgekartetes Spiel, haben wir bekommen, was der Regisseur erwartete, was wir bekommen wollen? Wurde eine Liebesszene so gedreht, weil der Regisser erwartete, dass wir eine “indische” Liebesszene bekommen wollen? Diese Störungen und Verschiebungen schärfen auch einen Blick für die Regeln und ästhetischen Normen von Soaps und ermöglicht einen verschobenen Blick auf das Festival der Jungen Talente.
Dank an Claus Aumüller, Prakash Belawadi, Christoph Bertrams, Goethe‑Institut Bangalore, Katrin Geilhausen, Anja Nathan‑Dorn, Anna Schewelew, Sabina Waldhausen und Oliver Wolf.
Eine Produktion von ScriptedReality in Kooperation mit dem Festival der Jungen Talente! Frankfurt.